Wie schöne Städte entstanden sind Schöne Landschaften und ihre Geschichte
Wie schöne Städte entstanden sindSchöne Landschaften und ihre Geschichte

Der Park Buen Retiro

Unter den Dichtern, die ich bewundere, gehört mit an erster Stelle Jan Potocki, polnischer Adliger, Abenteurer, Aufklärer und als er sich auf sein Schloss zurück gezogen hatte, eben auch Dichter, nicht nur Schriftsteller. Er lebte von 1761 bis 1815.

 

Er hat - neben Sachbüchern - nur ein poetisches Werk hinterlassen, aber dies ist unvergleichlich. Alfons van Worden begibt sich von Cadiz nach Madrid. Er nimmt - wie es sich für einen Adligen gehört - statt den längeren Weg entlang des Guadalquivir den direkten Weg, somit durch die Sierra Morena, ein Gebirge, das schon längst gemieden wird, weil dort Geister und Dämonen herrschen. Beschwörungen, sich nicht in Gefahren zu begeben, weist er stolz von sich.

 

Nun, er trifft auf diese Geister, die ihm ihr Schicksal und Erlebnisse erzählen. Einer ist der junge Don Gaspar Suarez, der nach Madrid geschickt wurede, und dort eine gewisse Ines Moro kennen gelernt hat. Es ist eine (allerdings heitere) Romeo und Julia - Romanze, um die beiden, doch ein Dritter hat sich eingemischt, der Don Bosqueros, der es auf naive Jünglinge aus reichen Häusern abgesehen hat.

 

Was nun folgt, ist nicht das Original einer Episode, wie sie Jan Potocki erfunden und poetisiert hat, sondern eine Nacherzählung, dies, weil man sich beim Lesen einerseits und beim Nacherzählen andererseits ein doppeltes Vergnügen machen kann. 

 

Heute Vormittag erhielt ich ein kleines Billet von Ines Moro. Sie teilte mir folgendes mit:

 

Der Mann, den ich hasse und dem ich bestimmt wurde, befindet sich derzeit in Sevilla. Seine Leute haben den ganzen Palast hier belegt, sie haben mir erlaubt, im corps de logis Aufenthalt zu nehmen. Die Fenster dort gehen auf das Augustinergässchen hinaus. Ich hoffe, Sie dort bei angebrochener Nacht vorzufinden. Ich habe Ihnen Wichtiges mitzuteilen.

 

Ines Moro

 

Sie können sich vorstellen, wie erregt ich war. Sollte meine sehnsuchtsvolle innere Welt, die ich nur mit Mühe beherrsche, eine Lösung, ein Glück, eine günstige Wendung erhalten? Es schien so, ja, ich war überzeugt, dass es so kommen werde.

 

Es war noch einige Zeit bis dahin. Die Sonne pflegt hier bei uns in Salamanca sich erst spät zur Ruhe zu begeben. Ich begab mich in den Park buen retiro, um dort in der schönen Natur Ruhe zu finden.

 

Ich wandelte umher. Wenig später bemerkte ich zu meinem Schrecken, dass Don Bosqueros in den Park eingetreten war. Ich wollte mich schnell in einen der Seitenwege begeben. Doch er hatte mich schon erkannt, schritt eilig auf mich zu und sagte: Lieber Freund, ich freue mich, dass ich Ihnen endlich den Bericht meines Lebens, den ich Ihnen schon lange angekündigt habe, erstatten kann. Setzen wir uns auf diese Bank. Mein Leben - so fügte er hinzu - begann zu erblühen, als ich mein sechzigstes Jahr schon überschritten hatte.

 

Ich dachte, da der Bericht über sein Leben nach diesem Hinweis nur wenige Jahre umfassen dürfte, wird er nicht allzu lange Zeit in Anspruch nehmen. Ich nahm also ergeben auf der Bank Platz und folgte seinen weitschweifigen Erörterungen, ohne auch nur das geringste Interesse für sie aufbringen zu können.

 

Nachdem am Horizont nur noch die oberste Stirn der Sonne zu sehen war, sagte ich zu ihm: Lieber väterlicher Freund und Gönner, heute muss ich mich zu einer sehr wichtigen Unterredung einfinden. Und ich freue mich auf den morgigen Tag, an dem wir uns hier wieder einfinden, und Sie die Geschichte ihres höchst bedeutungsvollen Lebens vollenden werden.

 

Erblickte mich erstaunt an und sagte: Wie! Kurz bevor ich die bedeutende Wendung in meinem Lebenslauf Ihnen mitteilen werde, wollen Sie, dass ich diese Mitteilung auf den nächsten Tag verschiebe? Das darf nicht sein und daher setze ich meinen Bericht fort.

 

Ich sah noch einmal zur Sonne und dachte, sie schaut noch etwas über den Horizont und wenn die bedeutende Wende in seinem Leben gleich berichtet wird, und die bedeutende Wende in meinem Leben noch nicht ganz gekommen ist, so kann ich ihm noch wenigen Minuten widmen. Ich setzte mich also hin und er fuhr fort, ohne dass mir klar und deutlicher wurde, warum es eigentlich ging.

 

Er stellte zunächst fest, dass er mich beglückwünsche, die vielen Wendungen - Fügungen wie er sagte - seines Lebens als Hinweis auf ein gelingendes Leben meinerseits erfahren zu können und somit gefeit zu sein gegenüber mannigfaltigen Störungen, die dem Sehnsuchtsstreben zuzurechnen sind.

 

Ich dachte ein halbes Stündchen wird es noch dauern, bis die Dunkelheit angebrochen sein wird. Und blieb wieder geduldig. Im nun fortgesetzten Bericht war von einem Gegner die Rede, dessen Boshaftigkeit das erlaubte Maß weit überschritt. Und er fügte hinzu, dass ihm dessen Boshaftigkeit so weit dienlich gewesen war, als er seine eigene Fähigkeit, boshaft sein zu können, entdeckt habe.

 

Nun wurde in ungeduldig, die Sonne war vollends untergegangen, nicht Boshaftigkeit sondern das Gegenteil davon erwartete mich und ich sprang auf und rief: Nun muss ich Sie leider verlassen!

 

Wieder schien er sehr erstaunt zu sein, und er sagte: Ich kann mir nicht vorstellen dass sie so unfreundlich zu mir sind, und jetzt - kurz bevor ich zum Höhepunkt meines Lebens gekommen bin - Sie eine angebliche Unterredung vorschürzen, um zu gehen. Ich kann das einfach nicht glauben, und - weil ich es nicht glauben kann - setze ich meinen Bericht fort.

 

Tatsächlich setzte er seinen Bericht fort und ich saß nun wieder mit ihm auf der Bank.

 

Ich gab ihm eine weitere Viertelstunde bis zum Höhepunkt seines Lebens, doch er verharrte davor, mit retardierenden Andeutungen, die gedacht waren, meine Spannung über das kommende Ereignis und dessen Bedeutung zu steigern.

 

Nun sprang ich auf und rief: Auch ich lebe und erhoffe eine Wende. Ich muss nun gehen. Auf ein baldiges!

 

Auch er sprang auf, doch statt mir die Hand zu reichen, zog er den Degen und rief: Ich fordere Genugtuung, mein Herr, meine Ehre ist auf das Schmählichste verletzt!

 

Worauf ich das selbige tat. Er war dabei geschickter, er stieß zu, verhakte seine Degenspitze in meiner Handhalterung, und entriss mir meine Waffe. Meine Hand war dabei verletzt und blutete heftig, so dass er sagte: Kommen Sie, mein lieber Freund, zu mir! Dort werde ich Ihre Hand verbinden und - während Sie genesen - werde ich den Bericht über mein Leben zu seinem glücklichen Ende bringen.

 

Was blieb mir übrig? Ich wollte nicht im Park buen ritero verbluten, und die süße Hand der Ines Moro mit einer blutenden Hand meinerseits zu ergreifen, dies war undenkbar. So folgte ich ihm.

 

Wie gesagt, eine heitere Geschichte, die - wie alle dieses Genre - über Hindernisse zum glücklichen Ende kommt. Es sind so viele Episode in Jan Potockis genialem Werk, das man immer wieder Lust hat, eine weitere nachzuerzählen, so vielleicht demnächst die Geschichte der Bekehrung des Ritters von Toledo.

 

 

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© Rolf Derenbach

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