Wie schöne Städte entstanden sind Schöne Landschaften und ihre Geschichte
Wie schöne Städte entstanden sindSchöne Landschaften und ihre Geschichte

 

Ludwigslust – Versailles in der griesen Gegend

 

Der Weg von Celle nach Ludwigslust ist nicht weit. Nachdem die Elbe überquert ist, befindet man sich zum ersten Mal außerhalb des Reichs Karl des Großen, in jenem „Elbslawien“, auf das sich das Interesse Heinrich des Löwen, der in irgendeiner Form in jeder der bisher behandelten Städte eine Rolle spielte, richtete. Mecklenburg spielte in der deutschen Geschichte die Rolle des "stillen Winkels". Bemerkenswert ist die Stabilität der politischen Verhältnisse, nach dem der Graf von Schwerin das Land an die ursprüngliche Landesherrschaft zurückgegeben hatte. Und es ist nun sehr interessant zu beobachten, wie dort die Impulse der Aufklärung und der Anpassung an die Moderne sich vollzogen. Ein Element davon ist Ludwigslust, der Bau einer Residenz auf der grünen Wiese, die diese Funktion jedoch nur wenige Jahrzehnte übernahm. Danach erfolgte die Rückverlagerung in das alte Zentrum Schwerin und der Umbau des dortigen Schlosses in einem pompösen Historismus.

 

Ludwigslust ist das Projekt eines Landesherrn des 18. Jahrhunderts, der sowohl traditionell wie aufklärerisch eingestellt war und sich der Baukunst verschrieben hatte. In diesem Sinne eine Variation zu Celle wie zu Eisenberg - aber mit deutlich heitererem Hintergrund. Es entstand eine Stadtanlage und Parklandschaft, die man in jeder Beziehung als gelungen bezeichnen kann - auch deshalb, weil wegen des fehlenden Geldes der Maßstab humaner ist als bei anderen überprächtigen Barockschlössern.

 

Mecklenburg - ein abgelegener Winkel der Geschichte?

 

Bevor man sich in die Entstehung Ludwigslusts vertieft, gilt es die politische Ausgangslage in großen Zügen zu klären, wobei der westmecklenburgische Teil von der unteren Elbe bis zur geschlossenen Flusslinie der Warnow und der oberen Havel in Frage kommt. In diesem Gebiet hatten sich nach dem Abzug der elbgermanischen Stämme die slawischen Stämme der Obotriten und Wilzen niedergelassen. Es war der deutsche König Heinrich I., der diese Region durch militärische Gewalt 928 - 931 unter seine Kontrolle gebracht hatte, nach dem großen Slawenaufstand 983 verlief die Grenze wieder entlang der Elbe. 200 Jahre später war es Heinrich der Löwe, der 1147 durch einen Unterwerfungsfeldzug, den sogenannten wendischen Kreuzzug, die politische wie religiöse Eigenständigkeit des Landes beendete. Indem Heinrich der Löwe den unterlegenen Slawenfürsten Pribislaw belehnte, entstand eine Dynastie, die bis 1918 regieren sollte. Auch Mecklenburg hat dynastisch bedingte Aufteilungen erlebt. Der Rückkauf der Grafschaft Schwerin machte Westmecklenburg aber zum wichtigsten Gebiet des Landes. Ab dem 14. Jahrhundert war Mecklenburg reichsunmittelbares Herzogtum.

 

Der Ursprung

 

Man hat es schon geahnt: „Gries“ bedeutet grau, kein angenehmer Name für die - dennoch schöne, weil ruhig-unspektakuläre Landschaft im südwestlichen Teil von Mecklenburg, das während der Eiszeit unter dem Druck der Eismassen zur Grundmoräne plattgewalzt wurde. Und gerade dort sollte im 18. Jahrhundert auf der Gemarkung des alten Gutes und Dorfes Kleenow ein norddeutsch-mecklenburgisches Versailles entstehen, wenn auch in bescheidenen Dimensionen und mit beachtlichen Zugeständnissen an die wohl immer schlecht gefüllte Kasse der mecklenburgischen Herzöge.

 

Es stand eigentlich nicht besonders gut um das wenig ertragreiche Gut Kleenow. Im Lauf des 30jährigen Krieges war es an die mecklenburgischen Herzöge in Schwerin zurückgefallen. Es war dann der spätere Herzog Christian Ludwig, dessen Jagdleidenschaft ihn nach Kleenow führte. Er ließ sich ab 1724 neben dem Gutshaus ein bescheidenes Jagdschloss bauen, das als ein- bis zweistöckiges Bauwerk mit einem Türmchen in der Mitte nur mit Mühe diese Bezeichnung beanspruchen konnte - ein Schloss aus Fachwerk und Lehm mit noch bescheideneren Häusern für die Hofleute und Küchen in der Nachbarschaft. Zu dieser Zeit war Christian Ludwig nur die Nummer zwei im Herzogtum, der regierende Herzog war sein Bruder Karl Leopold, der ihm ständig die Flügel stutzte. In diesem Sinne war Kleenow eher ein Ort des Ausweichens, wie ja oft im Leben Lust dann entsteht, wenn man einer Bedrückung entgehen kann. Seit 1747 war Christian Ludwig Herzog.

 

Zermürbt von ständigen Streitereien mit seiner Ritterschaft zog sich Christian Ludwig später ganz dorthin zurück, jagte, sammelte Gemälde und Kupferstiche und ließ Schauspiele und Konzerte aufführen: Ludwigs Lust. 30 Jahre später, 1754, wurde Kleenow folgerichtig vor versammeltem Hof, der sich im Sommer dieses Jahres dort aufhielt, in Ludwigslust umbenannt. Es war der Sohn Friedrich, der den Vorschlag zur Namensänderung gemacht hatte.

 

Christan Ludwig verstarb 1756, danach wurde sein Sohn Friedrich Herzog. Er ließ die Stadt umbauen, und daher könnte die Stadt mit mehr Berechtigung Friedrichslust genannt werden. Dieser Friedrich war aber ganz anders veranlagt als sein Vater. Er war sehr fromm und darin der pietistischen Richtung, die aber ihren reformerischen Impetus schon verloren hatte, verpflichtet. Eine seiner ersten Taten, nachdem er Herzog geworden war, bestand darin, das Theater, das sein Vater sehr gefördert hatte, zu verbieten. Mit der Lust am Theaterspielen war es nun vorbei, wie auch mit dem Kartenspiel, das das größte Vergnügen seiner Frau, einer württembergischen Prinzessin, war. Diese wich des öfteren nach Hamburg aus, um fern ab von ihrem Gatten sich ihrer harmlosen Leidenschaft hinzugeben.

 

Verlagerung des Hofes von Schwerin nach Ludwigslust

 

Friedrich war ein Anhänger der guten alten Vätersitten, die nicht verdorben werden sollten. Anderenorts suchte man schon längst nach neuen, sehr weltlich-machtpolitischen Werten. Er war es, der Ludwigslust zu dem idyllisch-heiteren Ort machen sollte, wie er uns heute entgegentritt. Er verlegte 1765 den Hof von Schwerin nach Ludwigslust, das Land Mecklenburg-Schwerin wurde von da an bis 1837 von dort aus regiert. Zum einen dürfte ihn das damals düstere und unbequeme Schweriner Schloss zu diesem Schritt veranlasst haben, zum anderen - und dies wohl vorrangig - folgte auch er - wenn auch verspätet - der Mode, die Residenz von der Landeshauptstadt zu trennen. Überall waren - selbst in noch viel kleineren Fürstentümern als es Mecklenburg war - Schlösser emporgeschossen, die in großen Parkanlagen gelegen waren. Vor allem das prächtig auftrumpfende Potsdam musste Friedrich als ein - ihn aber eher bedrückendes - Unternehmen des (auch politisch gefährlichen) preußischen Nachbarn, Vetters und Namensvetters Friedrich II. erschienen sein. Der nach dem Umzug folgende Ausbau der Stadt war daher nicht unbedingt allein aus Neigung erfolgt, sondern auch die Übernahme einer Mode, der man sich nicht entziehen konnte. Den Beamtenapparat beließ er im übrigen in Schwerin (er fuhr fast täglich in zwei Stunden nach Schwerin). Ludwigslust ist dadurch eine Residenz im kleinen Stil geblieben - bestehend aus der herzoglichen Familie, einer eher kleinen Schar von Höflingen, einer Wache und der Dienerschaft. Es scheint, dass es ein pompöses Hofzeremoniell – wie zum Beispiel in Hannover-Herrenhausen nicht gegeben hat.

 

Der Ausbau der Stadt

 

Das erste Unternehmen war die Anlage eines Parks und zwar eines großen, Land war genug vorhanden. Jedoch kein Wasser. Es wurde deshalb ein mehrere Kilometer langer Kanal gegraben, der nicht allein für die Wasserzufuhr sondern auch als Gestaltungselement benutzt wurde. Vor allem die Wasserkaskaden, die unter Ausnutzung des geringen Gefälles auf einer Breite von 100 Metern vor dem Schloss angelegt wurden. Der Lauf des Kanals im Park wurde durch kleinere Anlagen unterbrochen. Nur eine sei erwähnt: In einem Wehr wurde das Wasser solange gesammelt bis eine Kippvorrichtung in gleichen Abständen einen Wasserschwall durch den Kanal ergießen ließ. Das muss ein schöner Effekt in der ja ansonsten völlig ebenen Landschaft gewesen sein. Friedrich wird auch als mathematisch - technisch interessierter "Bastler" bezeichnet, dem Erfindungen dieser Art großen Spass machten.

 

Das zweite Projekt war die Anlage einer "Stadt", die die größer gewordene Zahl von Bewohnern aufnehmen sollte. Sie alle waren an den Hof gebunden - die Ausnahme bildeten nur die Bauern und Landarbeiter aus der Kleenower Zeit. Den Begriff Stadt muss man aber hier doch besser in Anführungszeichen setzen, denn es handelte sich eigentlich nur um die Anlage der etwa 400 Meter langen, geraden Schlossstraße. Sie ist ziemlich breit, mit Linden und zweistöckigen Häusern in "Backsteinbarock in niederländischer Auffassung" einheitlich gesäumt. Die Wirkung und Aufgabe als städtische Promenierstraße wird unterstützt durch die kleinen Balkone mit schönen schmiedeeisernen Gittern. An zwei Stellen springt die Häuserkante zurück, es entstehen andeutungsweise Platzwirkungen und man konnte an diesen Stellen Seitenstraßen einmünden lassen - ohne dass eine Unterbrechung der Achsenwirkung eintrat. Der Architekt Johann Joachim Busch, der zweite Mann, mit dessen Namen die Geschichte Ludwigslusts auf immer verbunden bleiben wird, ließ die Seitenstraßen an diesen angedeuteten Plätzen bogenförmig oder über Eck einmünden und erreichte damit eine plastische Wirkung. Wenn man auf der Hauptstraße entlang promenierte, entstand der Eindruck, dass sich zahlreiche andere Quartiere in der Tiefe der Schlossstraße anschlossen, dass man sich also tatsächlich in einem urbanen Umfeld bewegte. In der Realität kam allerdings nach den Wirtschaftsgärten in den rückwärtigen Seiten der Häuser der Schlossstraße - die Bewohner waren weitgehend Selbstversorger - das platte Feld. Bis zu diesem Zeitpunkt - wir befinden uns nun in den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts - hatte Ludwigslust eine rein ost-westliche Orientierung: Schlossstraße - Jagdschloss mit seitlicher, niedriger Flügelbebauung und damit einen Platz bildend - und der im Park in die Landschaft hinaus verlaufende Kanal waren in einer Längsachse aufgereiht.

 

Das neue Schloss und die Stadtkirche

 

Die Idee der barocken Stadt, die auf den Souverän ausgerichtete Achse, war also noch gar nicht verwirklicht. Das alte Jagdschloss als Endpunkt einer beeindruckenden Sichtachse? Dies wäre allerdings offensichtlich etwas verfehlt gewesen. Wie gesagt - es handelte sich um eine niedrige zweistöckige Anlage mit einem Balkon und einem Türmchen in der Mitte. Man hätte sich andernorts fürstlich und in Potsdam sogar königlich darüber amüsiert. Und was sollte am anderen Ende einer derartigen nord -südlichen Achse als zweiter Blickfang stehen? Weitere Repräsentationsbauten (die Verwaltung war ja in Schwerin untergebracht) brauchte man nicht und konnte man auch nicht bezahlen. Die Antwort war wie folgt: Es wurde ein neues Schloss gebaut, das - im Rahmen des Möglichen repräsentativ war. Am anderen Ende eine Kirche, die alte Dorfkirche konnte schwerlich als Residenzkirche dienen, mit einer Schaufassade, die des neuen Schlosses entsprechen konnte. Die neue Blickachse durch Randbebauung - angemessen niedriger als diese beiden Bauten aber höher als die Häuser in der Schlossstraße - eingesäumt und damit zum großzügigen Platz gesteigert.

 

Das Schloss wurde auf der selben Grundfläche wie das bestehende aber nun deutlich höher und vom Baumaterial her fürstengerechter ab 1768 errichtet. Mit 17 Fensterachsen in der Länge und 7 in der Breite, dem turmartig ausgebildeten Mittelteil, der für ein Barockschloss erforderlichen Höhe der 3 Stockwerke, die durch eine umlaufende Attika abgeschlossen wurden, hat es zweifellos die für die beabsichtigte Schauwirkung erforderliche Plastizität. Es ist sicherlich im Vergleich zu anderen klein, vor allem fehlt ihm die Längsausdehnung, die in anderen Schlössern schlagender Beweis für den Reichtum ihrer Besitzer waren. Versailles hat allein im hervorgehobenen Mittelteil des langgestreckten Schlosses 24 Achsen, in Ludwigslust sind es drei. Ein Schloss nach wie vor im Sandkastenformat. Aber: Die Maßstäblichkeit der Architektur des Schlosses in Ludwigslust ist im Verhältnis zur Gesamtanlage der Stadt gewahrt - und das ist entscheidend für die Stadtgestalt als Ganzes.

 

Der Tribut an die Sparsamkeit, Not macht erfinderisch, zeigte sich auch im Detail: So ist das Schloss nicht in Stein gefügt, es ist ein mit Sandsteinplatten verblendeter Backsteinbau. Und der Ornamentschmuck ist nicht etwa aus vergoldeten Holzpaneelen oder Gips sondern - eine einmalige Besonderheit - aus Pappmaché - mit einem besonders dünnen Blattgold überzogen. Man verwendete dazu als Rohstoff unter anderem die Akten, die eifrige Kanzlisten in Schwerin wohl manchmal unnötigerweise angelegt hatten. Das Schloss ist schon zu seiner Erbauungszeit als nicht mehr zeitgemäß empfunden worden. Die Schlösser, die zur selben Zeit erbaut wurden, waren schon eher klassizistisch als barock, die im Barockstil verlangte strikte Symmetrie, die in Ludwigslust noch eingehalten wurde, wurde nicht mehr beachtet. Die Anklänge von Klassizismus am Schloss sind wohl eher bedingt durch die knappen Baumittel als Ausdruck einer Zuwendung zu einem neuen Stil. Ein richtungsweisendes Meisterwerk ist das Schloss also nicht.

 

Das kann man von der Kirche auch nicht sagen. Aber ihre Anlage und vor allem ihre Fassade sind wirklich außergewöhnlich, sie ist ganz zweifellos das auffälligste und originellste Gebäude in Ludwigslust. Man muss daran erinnern, dass in der barocken Stadt- und Schlossarchitektur der Thronsaal und nicht der Altar im Zentrum der symmetrischen Anlagen steht. Die weltliche Macht hatte die geistliche Macht überflügelt - selbst in den Schlössern der geistlichen Fürstentümer. Der Kirchenraum war als Kapelle in die Gesamtanlage - meistens ohne bauliche Hervorhebung nach Außen - eingebunden.

 

Ganz anders im Ludwigslust des frommen Friedrich, der ja auch die Gewichte zwischen geistlicher und weltlicher Macht anders setzen wollte. In seinem Ensemble stehen Thron und Altar in baulich gleichberechtigter Lage zueinander. Hier folgte der Bauherr dem Zeitgeist nicht! Der Bau der Kirche war - auch dies vielleicht ein Zeichen für Friedrichs Absichten - früher (1765) begonnen worden als das neue Schloss. Da man üblicherweise von der Schlossstraße kommend auf den Vorplatz des Schlosses gelangt, erblickt man am anderen Ende der neuen "Schlossachse" keineswegs eine norddeutsche Backsteinkirche, sondern eine griechische Säulenhalle, die mit ihren fast 40 Metern Breite nicht wesentlich schmaler ist als das Schloss: Auf 6 Säulen ruht ein flacher Giebel und darüber ein übergroßes Christusmonogramm. Dieses Gebäude ist weder ein Museum mit Gipsabdrücken antiker Skulpturen, noch eine Akademie der Schönen Künste, noch ein Mausoleum für eine vielgeliebte, jung verstorbene Herzogin: Es ist die Ludwigsluster Stadt- und Schlosskirche. Wäre man jedoch von Südwesten über die Felder gekommen, hätte man eine barockes Kirchenschiff erblickt, das sehr gut in eine süddeutsche Kleinstadt gepasst hätte. Allerdings wäre aufgefallen, das es stadtseitig von einer großen, kahlen Mauer abgeschlossen wird, die auf beiden Seiten deutlich über das Schiff und auch über das Dach hinausragt: Die Rückseite der griechischen Vorhalle. Unorganischer geht es nun wirklich nicht, aber von der richtigen Seite - d.h. vom Schloss her - gesehen ist, ist die Wirkung jedenfalls fabelhaft.

 

Ludwigslust als gebaute Idee?

 

Die Kirche ist mehr als das Schloss das i-Tüpfelchen auf der gesamten Anlage der Stadt. Die Architektur geht Kompromisse ein, weil das Geld fehlte. Aber das, was Friedrich zeigen wollte, sein - wie auch die Zeitgenossen schon meinten - überlebtes Weltbild, das wird auf jeden Fall in der von ihm gewollten und von seinem treuen Architekten Johann Joachim Busch verwirklichten Architektur ganz unmissverständlich ausgedrückt: Dualität von himmlischer und weltlicher Macht.

 

Man kann sich fragen, ob er nun doch sich selbst - wie es die anderen taten - und nicht die Religion an die erste oder zumindest gleiche Stelle der Werteskala setzte. Die griechische Säulenhalle lässt hier Zweifel aufkommen: Ist sie nicht zu deutlich diesseitig und damit letzen Endes zur Ehre der weltlichen Macht konzipiert worden? Am Kirchenraum lässt sich diese offene Fragen beantworten. Zunächst kommen jedoch auch hier Zweifel an der wahren Gesinnung ihres Erbauers. Allzu prächtig ist seine Loge ausgebaut - zur Wohnlichkeit gehört sogar ein Kachelofen - beugt sich hier der weltliche Herr vor einer höheren Macht? Der Altar ist zwar hochgesetzt und durch ein wahrlich riesiges, bis zur Decke reichendes konkaves Altarbild umfasst, das die Verkündigung darstellt. In dieses Wandbild, ebenfalls aus großen Pappmachétafeln errichtet, sind im oberen, himmlischen Teil kleine Öffnungen eingelassen, in die Kerzen gestellt wurden und so die Sterne darstellen. Hinter diesem großen Schirm befindet sich die Orgel, deren Wirkung - da Gesang und die Töne des Instrumentes sich nun besser überlagern - dadurch wesentlich gesteigert ist. Die Wirkung ist allzu theatralisch. Man denkt nun mehr an eine sentimental - oberflächliche Frömmigkeit des Erbauers und zweifelt deshalb wiederum an seinen Absichten.

 

Der Beweis zugunsten Friedrichs ist aber sein Sarg: Er steht als völlig schmuckloser Granitblock in der Mitte der Kirche - ohne eingravierten Namen und andere Hinweise auf etwaige große Taten. Er starb nur zwei Jahre nachdem das Schloss fertiggestellt war, im Grunde genommen hat er für seinen Nachfolger gebaut, der aber - wie so oft - das Erbe nicht wirklich schätzte. Aber auch er hat sich Verdienste um Ludwigslust erworben, vor allem durch die Erweiterung des Parks, dessen Plan von Lenné stammt. Ludwigslust ist ein Kompromiss aus drei widerstrebenden Prinzipien: Dem dem Zeitgeist entsprechenden Repräsentationsbedürfnis weltlicher, herrschaftlicher Macht einerseits, dem Festhalten an den alten Werten, verstärkt durch die pietistisch gefärbte Frömmigkeit, die Unterordnung oder zumindest Zurückhaltung der weltlichen Macht verlangt, andererseits. Und schließlich das in diesem Fall unvermeidliche Prinzip: Not (in Form von leeren Kassen) macht erfinderisch. Diese Prinzipien gingen in der Architektur der Stadt eine eigentümliche Verbindung ein - so weit bauliche Anlagen dieses vermögen. Dies ist gelungen - und macht eigentlich bis heute die Besonderheit und den Reiz Ludwigslusts aus.

 

Veröffentlicht in "Der Landkreis", Heft 10 / 1995

 

Drei mal war ich in Ludwigsburg, meistens mit finnischen Freunden, aber ohne das sehr lesenswerte Buch von Renate Krüger "Ludwigslust" (Ernst Wähmann Verlag Schwerin 1957) wäre dieser Artikel nicht entstanden.

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© Rolf Derenbach

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