Wie schöne Städte entstanden sind Schöne Landschaften und ihre Geschichte
Wie schöne Städte entstanden sindSchöne Landschaften und ihre Geschichte

Die Gemeinde Pohja liegt im Süden Finnlands an der Küste des finnischen Meerbusens. Sie gehört zur Region Uusimaa, sie liegt etwa 80 km westlich von Helsinki entfernt. 5.000 Einwohner leben dort, davon sind rund 40 % schwedischsprachige Finnen. 2009 haben sich die Gemeinden in der Region zu einer Großgemeinde zusammengeschlossen. Pohja ist nun Ortsteil von Raseborg, das nach einer sehenswerten Wikingerburg benannt ist. Der finnischsprachige Name ist Raasepori (Pori finnisch Burg).

 

Das Besondere von Pohja sind die beiden historischen Industriedörfer Billnäs mit 1.300 und Fiskars mit 600 Einwohnern. Dort sind heute die aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammenden Eisenwerke, ein historisches Ensemble aus einem vollständig erhaltenen, frühindustriellen Milieu zu besichtigen. Es ist sicher übertrieben zu behaupten, dass diese und weitere benachbarte Orte einstmals das finnische Ruhrgebiet darstellten. Aber insofern stimmt der Vergleich, denn in dieser Region sind die ersten finnischen Eisenhütten und Manufakturen entstanden. Nach der Holz- und der Papierindustrie bildet die Metallindustrie auch heute den drittwichtigsten und sehr ertragsreichen Gewerbezweig in Finnland.

 

Der Besuch Pohjas lohnt sich sehr, weil dort zu erleben ist, wie die Gegenwart auf historischen Grundlagen beruht - auch wenn das bauliche Erbe nach der Größe noch so bescheiden erscheint. Wenn man zum Beispiel das Gestänge und die Zahnräder an einer der alten Schleusen im Binnenland besichtigt, wird man sagen können, diese sind sehr wahrscheinlich in Pohja gegossen und geschmiedet worden, das gewerbefleißige Finnland von heute hat dort einen seiner Anfänge genommen.

 

Lage und naturräumliche Gegebenheiten

 

Pohja liegt im Binnenland, hat aber durch den langgestreckten Meereseinschnitt mit dem zungenbrecherischen Namen Pohjanpitäjänlahti (Lahti heißt Bucht) einen direkten Zugang zur Ostsee. Am Ende des Meereseinschnitts liegt das Kirchdorf mit 1.800 Einwohnern mit einer ehrwürdigen Feldsteinkirche aus dem Jahr 1470 und dem Friedhof mit gusseisernen Gittern und Grabmalen. Durch das Kirchdorf zieht - wie in Porvoo - der historische Königsweg. Im Hafen wird man vermutlich ein modernes Küstentransportschiff vorfinden, das gerade beladen wird, erstes sichtbares Zeichen des gewerbefleißigen Pohja.

 

Neben dem Kirchdorf bestehen noch weitere Ansiedlungen, Åminnefors mit 481, Björsby-Mörby mit 384, Antskog mit 113, Ekerö mit 110 und Kuovila mit 92 Einwohnern. Diese Streulage der Wohn- und Arbeitsstätten ist typisch dafür, wie in Finnland in alter Zeit die Siedler sich ihre Lebensstätten je nach den Bodengegebenheiten und -schätzen geschaffen haben.

 

Die Landschaft im Hinterland des Kirchdorfes erhebt sich bis zu 60 Meter über das Meeresniveau. Ihr auffälligstes Merkmal ist ihre Kleinteiligkeit, das Charakteristische einer in der Eiszeit geformten Erdoberfläche. Schaut man sich eine Reliefkarte an, so fühlt man sich ein wenig an die Oberfläche eines Streuselkuchens erinnert.

 

Nördlich von Pohja liegen die Landschaftssenken mit deren ausufernden Seen vor der Hügelkette der Salpausselkä, einer Endmoräne, die ganz Südfinnland durchzieht. Dort entspringen die beiden Flüsse, der westliche Fiskarsjoki wie der östliche Mutsiojoki. Auf ihrem Weg in den Fjord beim Kirchdorf haben sie sich dem Relief angepasst, es sind enge und weite Talabschnitte entstanden, Stromschnellen an den harten Gesteinsriegeln im Untergrund unterbrechen ihren sonst geruhsamen Verlauf. Dazwischen liegen die bewaldeten Geländekuppen, auf denen immer wieder das felsige Grundgerüst zu Tage tritt.

 

Der Spaziergang durch die Industriedörfer Fiskars und Billnäs

 

Am besten beginnt man die Besichtigung in Fiskars und zwar am oberen, nördlichen Ende des Industriedorfs, dort wo der Fluss aus dem großen See Degersjön heraustritt. Das Tal verengt sich und man erreicht als erstes die erste Staustufe und die alten Werkhallen.

 

Wenn man unter einem Eisenwerk sich eine doch mächtige, rußgeschwärzte oder rostbraune Anlage vorstellt, dann sieht man sich angenehm getäuscht. Es handelt sich um kleinteilige Fabrikgebäude entlang des Flussbetts. Der Gebäudegruppe sieht man an, dass sie Stück für Stück durch Hinzufügung weiterer Gebäudeteile gewachsen ist. Alles atmet die Atmosphäre einer an heutigen Maßstäben gemessenen Spielzeugfabrik einschließlich des gemauerten Schornsteins. Sie wurde in einer Zeit errichtet, als man es noch nicht versäumte, auch die für die Produktion bestimmten Bauwerke ansprechend zu gestalten, so durch symmetrische Anordnung der Fensterreihen, Fenstereinrahmungen und Gesimse und durch die plastische Absetzung der Dächer.

 

Im weiteren Verlauf erreicht man die an der Straße aufgereihten Arbeiterhäuschen, aus Holz in rotem Anstrich mit weißen Fensterrahmen. Und danach ein langgestrecktes Gebäude aus rotem Backstein, in dem sich die Kontore und Remisen des Unternehmens befanden. In dessen Mitte ist eine Tordurchfahrt mit einem Turmaufbau, der, kurios in der spielerischen Wirkung, mit einem hölzernen Glocken- und Uhrturm versehen ist. Man erkennt, dass dieses Gebäude wie weitere von einem Fachmann, dem Architekten Charles Bassi, entworfen wurden, wobei sich zudem herausstellt, dass, soweit es den hölzernen Turmaufsatz angeht, der damalige Stararchitekt, Carl Ludwig Engel, den Entwurf geliefert hat.

 

Noch spektakulärer ist das Wohnhaus der Unternehmerfamilie, der Hüttenherren. Es ist ein mehrgeschossiges, weiß verputztes Bauwerk in klassizistischem Stil, der englische Begriff Manor House trifft vielleicht am besten die Ästhetik wie die sozial-patriarchalische Symbolik dieses Gebäudes. Die unterschiedliche Verwendung von Baumaterialien (rohes oder verputztes Ziegelmauerwerk, Holz) ist ebenso als Ausdruck sozialer Verhältnisse zu sehen.

 

Schließlich erreicht man eine weitere Gruppe von Werkhallen an der zweiten Stromschnelle, es ist die später errichtete Kupferhütte. Dort findet man, nun als Denkmale, Beispiele der eisernen Produkte, die in Fiskars hergestellt werden konnten. Und nicht zu vergessen ist die rührend kleine Dampflok der Stichbahn von Fiskars zum Hafen am Fjord, sie wurde - wie zu sehen ist - in der Münchner Fabrik Kraus-Maffei einstmals gefertigt. Ihre Aufgabe bestand darin, die Güterwagen zum und vom Hafen nach Fiskars zu ziehen.

 

Auch Billnäs sollte man nicht versäumen, die dortigen Werkhallen liegen an der Stromschnelle des Mutsioflusses, ein anschauliches Beispiel dafür wie nicht nur hier sondern in ganz Finnland in den alten Zeiten mechanische Energie gewonnen werden konnte.

 

Das Entstehen einer eisenverarbeitenden Industrie in Finnland

 

An sich ist Holz der finnische Werkstoff per se. Aus ihm kann man fast alle Geräte herstellen, um so mehr, da es wegen der kurzen Vegetationsperiode in Finnland viel dichter bzw. härter heranwächst als in unseren Breiten. Aber einen gewissen Bedarf an härteren Ausgangsstoffen war gleichwohl immer vorhanden, natürlicherweise Eisen, dieses Metall, das weniger schön als Gold aber viel wichtiger ist. Es ist in der Erdkruste überall vorhanden, wie ja auch im menschlichen Körper.

 

In der vor- und frühindustriellen Zeit wurde Eisen aus dem Schlamm der Seen und der Torfböden der Moore und Sümpfe gewonnen. Es wird verhüttet, d.h. aus dem Gesteinsmaterial herausgeschmolzen. Das Weiterverarbeiten zu Geräten setzt erneutes Schmelzen des Roheisens voraus, danach folgen die technischen Verfahren des Gießens, Ziehens und Schmiedens.

 

Geht man in die Gründungszeit der Industriedörfer, d.h. in die Mitte des 17. Jahrhunderts, zurück, so muss man zunächst an die damaligen Verhältnisse erinnern. In Finnland lebten damals etwa nur eine halbe Million Menschen vorrangig im Südwesten des weiten Landes. Befestigte Straßen, durch Dampf oder Elektrizität betriebene Maschinen oder gar Eisenbahnen, die den Transport von Massengütern ermöglichen, gab es ja noch nicht.

 

1560 wurde in der Region am östlichen Rand des Lohjasees eine Eisenerzader entdeckt, die Ojami Mine. Aber es sollte noch mehrere Jahrzehnte dauern, bis der Sprung von einer rein handwerklichen zu einer industriemäßigen Nutzung des Eisenerzvorkommens erfolgte.

 

Finnland gehörte damals zum Königreich Schweden und von dort, nicht aus lokalen Verhältnissen, kam der Anstoß dazu. Dazu ist ein Blick zurück nötig: Karl IX., der von 1550-1611 lebte, war ein Förderer des Handels und des Gewerbes, vor allem der Metallverarbeitung gewesen. In seiner Zeit waren die großen Eisenerzvorkommen in Kiruna in Nordschweden entdeckt worden, und es war der Niederländer Louis de Geer, der mit Hilfe zugewanderter wallonischer Bergleute die Technik der Eisengewinnung und -verarbeitung nach Skandinavien gebracht hatte. Schweden wurde damals und noch lange danach zum größten europäischen Produzent von Roheisen wie zum Produzenten von Waffen, sowohl für den eigenen wie für andere Heere. Nicht zuletzt deshalb wurden die Landsknechte unter seinem Sohn Gustav II. Adolf, dem Retter des deutschen Protestantismus im Dreißigjährigen Krieg, zum Schrecken der Kriegsparteien wie der Bevölkerung Mitteleuropas.

 

Es lag nahe auch andere Erzvorkommen in den Provinzen des Königreiches in diesen technologisch-wirtschaftlichen Aufschwung einzubeziehen. Es fiel aber erst in die Regierungszeit der Königin Christina, dass Peter Thorwöste (Fiskars) und Carl Billsten (Billnäs) das Privileg erhielten, auch auf finnischem Boden Stangeneisen und Eisenwaren herzustellen, jedoch keine Kanonen und andere Waffen. Auf dieser Grundlage erfolgten dann mehrere Gründungen: die Eisenwerke in Antskog (1630), Fiskars (1649), Billnäs (1641) und Fagervik (1646).

 

Es war ja naheliegend, dass diese Gründungen in der Nähe der erschlossenen Eisenerzmine erfolgten. Im übrigen suchte man in der Region weiter nach verwertbaren Metallvorkommen, allerdings ohne Erfolg. Noch heute sind die Spuren dieser Suche in der Region auffindbar.

 

Für die Standorte sprachen aber auch weitere naturgegebene Potenziale. An erster Stelle die Erreichbarkeit über das Meer, in einer Zeit als es noch keine Landstraßen gab, ein ganz wichtiges Kriterium, auch mit Blick auf die Absatzmärkte in den finnischen Städten, die ja vor allem an der Küste gelegen sind. Weiteres kam hinzu: Indem der Meereseinschnitt tief in das Binnenland eindringt, ist das Gefälle zwischen den Seen im Hinterland und dem Meeresspiegel höher als in dem sonstigen, ja durchgängig ebenen Südfinnland. Somit waren die Ergiebigkeit und Fließgeschwindigkeit der beiden Flüsse hoch genug, um die mechanische Energie für die Eisenhämmer zu gewinnen. Und schließlich sind die Standorte durch ihre Lage im Binnenland von Wäldern umgeben. Von dort entnahm man das Holz zur Gewinnung von Wärmeenergie für das Verhütten des Eisenerzes wie für das Erhitzen des Roheisens zur Weiterverarbeitung. Die Kosten für den Transport der Rohmaterialien niedrig zu halten, war damals ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg.

 

Die Entwicklung der eisenverarbeitenden Industrie bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

 

Es ist schon sehr bemerkenswert, dass 380 Jahre lang in den Gebäuden in Fiskars und Billnäs, wie sie sich heute darstellen, Eisenwaren unterschiedlichster Art hergestellt wurden. Und ebenso erstaunlich ist es, dass nur vier Familien, die Hüttenherren, die Geschicke der Betriebe bestimmen sollten. Mancher Leser und Leserin wird wissen, dass der Name Fiskars auch heute noch für hochwertige Küchengeräte steht, das heutige Unternehmen mit weltweitem Absatz unterhält in Billnäs einen seiner Betriebe. Es waren zunächst vor allem Nägel, Nadeln, Kleinwerkzeuge und eiserne Pflüge, die hergestellt wurden, wobei, wie berichtet wird, auch technologischer Sachverstand aus dem Ausland herangezogen wurde. Die Werke trugen mit ihren Pflügen ganz entscheidend zur Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft bei - man schätzt, dass rund 1 Million Pflüge hergestellt wurden.

 

Der vielversprechende Aufbruch schien jedoch abrupt zu Ende zu gehen, als eine verheerende Hungersnot und Pestzeit ausbrach und im Verlauf des 18. Jahrhunderts Finnland einmal mehr zum Kriegsgebiet der russischen und schwedischen Heere wurde. Damals waren nicht nur die aufstrebende Eisenindustrie sondern ganz Finnland vom Untergang bedroht. Billnäs wurde von den russischen Truppen zerstört. Aber auch Brände und wirtschaftliche Flauten haben immer wieder die Fortführung der Werke bedroht.

 

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert erholte sich das Land wirtschaftlich wieder und es kam in diesem Zeitraum zu einer Festigung der Eisenwerke in Pohja sowie zu weiteren Gründungen, so auch im Osten des Landes.

 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zählte man in ganz Finnland 15 Eisenwerke, 8 Hochöfen, 15 Hammerwerke und 6 Gesenkschmieden. Man muss allerdings auch die Relationen sehen. So betrug die finnische Eisenverarbeitung im Jahresdurchschnitt rund 1.000 Tonnen Roheisen, in Schweden, europaweit immer noch der größte Produzent, dagegen 40.000 Tonnen.

 

Am Ende des 18. Jahrhunderts war Finnland deutlich bevölkerungsreicher, jedoch nach wie vor fast ausschließlich landwirtschaftlich geprägt. Selbst in der damaligen Hauptstadt Turku lebten nur wenige Tausend Einwohner. Der Bedarf nach Eisenwaren zu Beginn des 19. Jahrhunderts war daher nach der Art nicht wesentlich unterschiedlich, wenn auch nach der Menge höher als während der Gründungszeit.

 

Das 19. Jahrhundert - die goldenen Jahrzehnte der Industriedörfer

 

Das 19. Jahrhundert wurde die Zeit großer Veränderungen und des Aufschwungs auf eine höhere Stufe. Zum einen politisch durch die Eingliederung Finnlands in das russische Zarenreich nach der Niederlage Schwedens 1809. Die weitgehende Selbstbestimmung als autonomes Großfürstentum im Zarenreich bewirkten eine Aufbruchstimmung, die nicht nur den sozialen und kulturellen sondern auch den wirtschaftlichen Bereich erfasste.

 

Der Bedarf nach Eisenwaren wurde nun mehr und mehr aus anderen Quellen gespeist, das weitere stetige Wachstum der Bevölkerung, das Entstehen von Gewerben außerhalb der Landwirtschaft und das Aufblühen der Städte.

 

Zusätzlich bewirkte der industrielle Aufschwung in ganz Europa eine ganz bedeutende Zunahme des Bedarfs des Auslands nach dem Reichtum Finnlands, dem Holz. Dazu mussten Kanäle und Schleusen für den Transport der Stämme in die Hafenstädte errichtet werden.

 

Allerdings ergeben sich aus der technologischen Entwicklung in der Metallurgie auch Gefahren für die finnische Eisenindustrie. Ihre Kleinteiligkeit, als Folge der Abhängigkeit von der Wasserkraft an den Stromschnellen, erwies sich jetzt als ihre Schwäche. Viele der finnischen Werke konnten die effizienteren Methoden der Eisengewinnung und dessen höhere Qualität nicht umsetzen. Mehrere entgingen dem Konkurrenzdruck, in dem sie auf andere Produkte umstellten, andere sanken zurück auf das Niveau landwirtschaftlicher Güter mit industrieller Vergangenheit.

 

Für den Standort Pohja erwies sich jedoch das gesamte 19. Jahrhundert als die Zeit des eigentlichen Aufschwungs, der Diversifizierung der Produktion, der Anpassung an die qualitativen Anforderungen, auch der Nutzung des edleren Metalls des Kupfers. Die Mehrzahl der Gebäude, die man in Fiskars und Billnäs vorfindet, sind damals entstanden. Die Großzügigkeit der beiden Herrenhäuser belegen ja nachdrücklich den wirtschaftlichen Erfolg.

 

Das 19. Jahrhundert war in Europa wie in Finnland die Periode der erfindungsreichen Fabrikpatriarchen. In Fiskars war es Johan Julin, der 1822 das Werk übernommen hatte und eine fast schon stürmisch zu nennende Entwicklung in Gang setzte. Er war Apotheker, hauptsächlich aber ein unternehmerischer Geist, der wusste in welchen Bereichen Veränderungen notwendig waren und wie sie zum Gesamterfolg zusammen zu fügen waren. Er lenkte fast 30 Jahre lang die Geschicke des Unternehmens. In seine Zeit fällt in Fiskars die Errichtung des zweiten Werks, in dem Kupfer verarbeitet wurde. Das nun einsetzende Bevölkerungs- wie Wohlstandswachstum erzeugte neue Bedarfe, die er mit dem Aufbau einer Feinschmiede aufgriff.

 

Für die einheimische Belegschaft wie für Fachleute, die er aus dem Ausland heranzog, baute er die Wohnhäuser nach dem traditionellen Stil wie für sich selbst das steinerne Herrenhaus. Er und seine Nachfolger errichteten eine Schule, ein Krankenhaus und andere soziale Einrichtungen. Die Hilfen im Notfall und für die Armen waren deutlich besser als die, die sonst von den Gemeinden bereitgestellt werden konnten. Beide Dörfer wurden auch in anderen Bereichen autark und mehr und mehr "Staat im Staate". In diesem Zusammenhang muss man sehen, dass beide Werke einschließlich der Wohnstätten im Besitz der Hüttenherren waren. Sie waren einerseits zu Siedlungen herangewachsen, aber rechtlich gesehen waren sie Unternehmen wie das gesamte Gelände im Privatbesitz, die von den Eigentümern nach patriarchalischen Grundsätzen geführt wurden. Die Hüttenherren sind durchaus vergleichbar mit Feudalherren, jedoch mit dem Unterschied, dass jene kriegerisch-zerstörend, diese - wie Johan Julin - aufbauend, im gewerblichen wie im sozialen Sinne, handelten.

 

Entwicklung und Umbrüche bis zur Gegenwart

 

In vielerlei Beziehung spiegelt das weitere Schicksal der Industriedörfer sowohl die Veränderung innerhalb der Wirtschaftsbranche wie der sozioökonomischen und politischen Geschichte Finnlands oder überhaupt der Moderne wider. Im späten 19. Jahrhundert wurde Fiskars in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, der Grund dafür war Streubesitz in der großen Familie der Falins. Damit war die Epoche der innovativen wie patriarchalischen Hüttenherren beendet.

 

Schwierige Zeiten brachen über beide Unternehmen herein, als die sozialen Konflikte in Finnland sich im Bürgerkrieg 1917 / 18 entluden, die weltweite Wirtschaftskrise 1929 und danach die beiden Kriege mit der Sowjetunion ausbrachen. Diese Klippen haben die beiden Unternehmen genommen. Und nach dem Friedensschluss mit der Sowjetunion, der zunehmenden Einbindung der finnischen Ökonomie in den Außenhandel und der inneren Bedarfsentwicklung prosperierte Pohja weiterhin.

 

1957 kam der Strukturwandel, und zwar dadurch dass die Konsolidierung des Standorts durch Zusammenlegung der Werke unter dem Dach der Fiskars Oy (Oy heißt Aktiengesellschaft) erfolgte. Wie erwähnt wurde in Pohja eine moderne Betriebsstätte errichtet. Die alten Hallen wurden aufgegeben, vielleicht als Lagerhallen genutzt. Vor allem der Standort Fiskars wurde zu einer "Industriebrache" - wie dies viele andere Städte mit Montanindustrie in ganz Europa erleben mussten. Es stellte sich die Frage nach der Zukunft der leerstehenden Hallen, Kontore und auch vieler Wohngebäude. Dafür wird der Begriff Rekonversion gebraucht, wobei zwei Optionen gemeint sind: Abriss der alten Anlagen und Vermarktung der freigewordenen Fläche an einen neuen Investor. Im Fall Fiskars hätte dies sicherlich ein endgültiges Aus bedeutet.

 

In Pohja ist man den Weg der anderen Option, den des Erhalts und der Umnutzung des Gebäudebestandes gegangen. 1984 wurde eine gemeindeeigene Gesellschaft gegründet, die den Bestand übernahm. Dadurch - so muss man hinzufügen - trennten sich nach fast 400 Jahren die Wege von Fiskars als Wohn- und Arbeitsort einerseits und als Wirtschaftsunternehmen andererseits. "Fiskars" ist heute Ortsteil der neuen Großgemeinde wie Fiskars der Name eines Unternehmens mit Sitz in Helsinki ist, das hochwertige Scheren, Messer, Äxte und weitere Werkzeuge herstellt, die weltweit abgesetzt werden.

 

Pohja wurde zum Modellprojekt, das in ganz Finnland beachtet und beobachtet wurde. Damals hatte der finnische Staat durch das Programm der Freigemeinde es den Gemeinden rechtlich wie finanziell ermöglicht, die Strukturanpassungen selbst in die Hand zu nehmen, Pohja gehörte zu den Modellgemeinden, in denen das Vorgehen erprobt werden sollte. Das Umweltministerium hatte dazu eine internationale Konferenz nach Pohja eingeladen, an der ich für das deutsche Bundesbauministerium teilgenommen habe. Zu diesem Zeitpunkt waren die Erhaltungsmaßnahmen schon beendet und die neuen Nutzer in den Bereichen kleine Gewerbetriebe, Weiterbildung, Tourismus, Kultur und Kunst begannen andere Formen der Inanspruchnahme des historischen Bestandes zu verwirklichen. Alle Teilnehmer waren erfreut, dass das historische Erbe nicht aufgegeben worden war oder richtiger gesagt aufgewertet worden war.

 

Den Charme eines historischen Milieus haben die Industriedörfer jedenfalls behalten und damit ihre Attraktivität für die Bewohner und die Besucher.

 

 

Pohja - Fiskars: das frühindustrielle Finnland auf dem Lande

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© Rolf Derenbach

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