Wie schöne Städte entstanden sind Schöne Landschaften und ihre Geschichte
Wie schöne Städte entstanden sindSchöne Landschaften und ihre Geschichte

Das historische Porvoo und das Jahr 1809

Die finnische Stadt, über deren historische Altstadt berichtet wird, war - wie das ehrwürdige Turku und heute Helsinki - ebenfalls eine Hauptstadt, jedoch nur für einige Wochen im Jahr 1809. Es handelt sich um Porvoo oder in schwedischer Sprachfassung Borgå. 2009 wurde im Dom, der nach einem verheerenden Brand noch rechtzeitig wieder hergestellt werden konnte, das 200jährige Jubiläum der Tage von Porvoo gefeiert. In der Geschichte des Landes waren sie eine Wendemarke, die zur nationalen Selbständigkeit im Jahr 1917 führen sollte.

 

Die Altstadt mit den hölzernen Häusern des 18. Jahrhunderts, die einfachen Häuser der Einwohner, die größeren der Obrigkeit und der Kaufleute im Empirestil und die Speicher am Flussufer - alles ist so erhalten geblieben, wie es im Jahr 1809 die Delegierten der Landstände vorfanden. Überragt wird die Stadt damals wie heute durch das mächtige Steildach der Kirche, die seit 1720 Bischofskirche ist und daher als Dom bezeichnet wird.

 

Die frühe Stadtgeschichte

 

Der schwedische Name weist auf die Entstehungsgeschichte hin. Borg (Burg) und A (Fluss). Als eine schwedische Gründung des späten 12. Jahrhunderts, die sich im Schutze einer Burg am linken Ufer des Flusses gebildet hatte, erhielt Porvoo 1346 vom schwedischen König Magnus Erikkson die Stadtrechte. Es ist der Stolz der Gemeinde, dass sie nach Turku die zweite Gemeinde war, die dadurch ausgezeichnet wurde. Helsinki sollte erst im 16. Jahrhundert folgen.

 

Blickt man zunächst auf die Topographie, so sieht man die natürlichen Vorteile des Standorts. Zum einen den Hügel für die Burganlage, von der heute nichts mehr zu sehen ist. Die vorspringenden Hänge verengen das Tal, sodass das Flussbett tiefer eingegraben ist und somit ein natürlicher Hafen entstand. Nur wenige hundert Meter südlich mündet der Fluss in das Schärengebiet und dann in das offene Meer des finnischen Meerbusens. Die Lage hatte somit für eine mittelalterliche Ansiedlung verschiedene Vorteile: Zum einen der Schutz, den die Topographie bietet, zum anderen die Zugänglichkeit sowohl vom Meer her als auch über den Fluss Porvoonjoki (Joki finnisch Fluss) in das Land hinein. Hinzu kam, dass die Stadt am Königsweg lag, der, parallel zur Küste des finnischen Meerbusens verlaufend, Turku, die Hauptstadt während der schwedischen Zeit, mit Wiborg und Nowgorod verband.

 

Verschiedene Naturprodukte machten Finnland damals attraktiv. Nicht nur das begehrteste Produkt, die Pelze, sondern auch zum Beispiel Teer, der für das Kalfatern, das Abdichten der Fugen in den Schiffskörpern der Handels- und Kriegsschiffe, gebraucht wurde.

 

Die wichtigeren Handelsverbindungen gingen zwar entlang der südlichen Küste des finnischen Meerbusens mit so bekannten baltischen Handelsstädten wie Riga, Tallin und Narwa. Sie wurden von der Hanse betrieben. Aber auch die finnische Südküste war in diesen Handel eingebunden, die Kauffahrer der Hanse haben auch in Porvoo eine wichtige Rolle gespielt.

 

Man kann es so sagen: Porvoo war zu dieser Zeit zwar nicht bedeutend aber auch nicht unbedeutend. Ein Plan aus dem Jahr 1652 zeigt, dass die Stadt sich schon damals über das Gelände der heutigen Altstadt erstreckte. Und aus dem Jahr 1740 wird berichtet, dass in Porvoo 1.600 Einwohner lebten und sie somit die zweitgrößte Stadt des Landes war. In Finnland insgesamt lebten damals nur 450.000 Menschen, heute sind es zehnmal mehr, Porvoo gehört heute mit 40.000 Einwohnern zu den größeren finnischen Städten.

 

Es mussten jedoch viele Jahrhunderte vergehen, bevor der Name Porvoo in die Geschichtsbücher Einzug fand. In all den Jahren nach der Christianisierung gehörte das Land zum schwedischen Herrschaftsbereich. Aber ab dem späten 17. Jahrhundert begann der langsame Zerfall der Rolle Schwedens als europäische Großmacht. Einerseits durch den Aufstieg Brandenburg-Preußens. Durch die Niederlage 1675 bei Fehrbellin verlor Schweden Schwedisch-Pommern. Andererseits und in den Folgen wichtiger durch den Aufstieg des Zarenreichs unter Peter dem Großen, der die Vorherrschaft Russlands im Ostseeraum beanspruchte und dies durch die Gründung der Stadt Sankt Petersburg mehr als deutlich demonstrierte.

 

Sein genialisch wie chaotisch agierender Gegenspieler, der schwedische König Karl XII., dessen Taten wie Untaten Voltaire zu einer faszinierenden Biographie anregten, verspielte Schwedens Bedeutung als „european player“.

 

Die südfinnische Küstenregion war die eigentliche Konfliktzone. In den russisch-schwedischen Kriegen 1740 - 1743 und 1788 - 90 wurde sie zum umkämpften Gebiet. In deren Verlauf und den nachfolgenden Hungerzeiten stand Finnlands Bevölkerung oft vor dem völligen Untergang. Auch Porvoo wurde mehrfach geplündert und 1740 niedergebrannt. In diese Zeit fiel die Verlagerung des Bischofsitzes von Wiborg, das an Russland gefallen war, nach Porvoo.

 

Finnland im napoleonischen Zeitalter

 

Ähnlich wie Karl XII. machte sich nach 1799 Napoleon auf, die europäischen Grenzen nach seinem Gutdünken zu ordnen. Nachdem er die Habsburger, die italienischen Staaten, Spanien und schließlich 1806 Preußen unterworfen hatte, blieben nur noch drei Gegenspieler übrig, die sich aufgrund ihrer geographischen Lage seinem Zugriff entzogen hatten: England, Schweden und Russland. Gegen England verkündete er 1806 in Berlin die Kontinentalsperre für englische Güter, ein Wirtschaftskrieg, dem aber weder Schweden noch Russland beitraten - aus der Sicht Napoleons eine Anmaßung, die durch Strafexpeditionen zu unterbinden war.

 

Im Frieden zu Tilsit 1807 kam es zu einem „gentlemen agreement“ zwischen Napoleon und dem russischen Zaren Alexander I.. Es sah u. a. vor, dass Russland der Kontinentalsperre beitrat, die Verbindung zu England somit aufgab, und, um den schwedischen Widerstand zu brechen, einen Angriffskrieg mit dem Ziel, sich Finnland einzuverleiben, führen sollte.

 

Dieser Krieg brach 1808 aus und er fand, wie die Kriege zuvor, auf finnischem Gebiet statt, sowohl im Süden des Landes als auch im Gebiet der nördlichen Küsten des bottnischen Meerbusens. Noch vor dem Frieden von Frederikshamn 1809, erklärte Alexander die Einverleibung Finnlands in das Zarenreich. Damit waren die äußeren Fakten geschaffen, die nun die Frage aufwarfen, wie Finnland in den Herrschaftsbereich Russlands einzugliedern sei.

 

Um den weiteren historischen Verlauf zu verstehen ist es nötig, einen Blick auf die Persönlichkeit des russischen Zaren Alexander I. zu werfen. Er war der Enkel der großen Katharina, die als Prinzessin aus dem Haus Anhalt-Zerbst in Russland bedeutende Reformen eingeleitet oder zumindest versucht hatte. Ihr Sohn und Nachfolger war der tyrannische und durch sein bizarres Verhalten auffällige Zar Paul I., der durch eine Palastrevolution 1801 abgesetzt und ermordet wurde. Sein Sohn Alexander I., wie seine Großmutter im Sinne der französischen Aufklärung erzogen, war zum Zeitpunkt der Thronbesteigung dreißig Jahre alt. Er verfügte über viel Charisma, sah gut aus, hatte ein gewinnendes Wesen, vertrat humane Ziele und war deshalb wie eine Erlösung nach den dunklen fünf Jahren der Regierungszeit seines Vaters. Seine liberalen Auffassungen zeigten sich am deutlichsten in der Art und Weise, wie er das annektierte Finnland behandelte.

 

In seinem Beraterkreis ging man zunächst davon aus, dass Finnland sich auf die russischen Traditionen in Regierung, Justizwesen usw. umzustellen hätte. Er zog jedoch die „finnischen Angelegenheiten“ an sich und verfolgte einen ganz anderen Kurs.

 

Die Einberufung der Landstände 1809 nach Porvoo

 

Wie groß sein Engagement war, zeigte sich daran, dass er eine Versammlung der vier finnischen Landstände auf den 25. März 1809 einberief und dass er an der Eröffnung persönlich teilnahm. Dass Porvoo dazu ausersehen wurde, lag an der Nähe zu St. Petersburg und daran, dass die Stadt Bischofssitz war und mit der Domkirche und der Domschule über geeignete Räumlichkeiten verfügte. Die Finnen sahen diesem Ereignis eher beklommen entgegen: die schwedischsprachigen Adligen in ihrer Loyalität zu Schweden, die protestantischen Kirchenleute gegenüber einem Souverän der orthodoxen Kirche, die Gewerbeleute und Bauern, die von der Obrigkeit nie etwas Gutes erwarten. Aber die allergrößten Befürchtungen über das weitere Schicksal waren schon genommen, weil Alexander einer finnischen Delegation in St. Petersburg einige Wochen vorher erklärt hatte, dass er Finnland einen Autonomiestatus zubilligen wolle.

 

Mit diesen Poorvo-Tagen begann eine doppelte Geschichte, eine politisch-staatliche und eine private. Der bekannte finnische Schriftsteller Mika Waltari hat sie zu einem historischen Roman verwoben. Die handelnden Personen sind neben Alexander, seine Berater wie der General Öran Sprengtporten, der Landeshauptmann Möllersvärd, dessen Familie und vor allem dessen zweite, erst siebzehnjährige Tochter Ulla (eigentlich Ulrica).

 

Die historische Altstadt - der Ort des Geschehens

 

Die damalige Örtlichkeit ist als historische Altstadt - wie gesagt - noch ganz erhalten. Nach den Zerstörungen der Kriegszeit des 18. Jahrhunderts und eines Stadtbrandes waren die größeren Gebäude im Empirestil, der Adaption der von Frankreich ausgehenden Form des Klassizismus, wieder errichtet worden. Baumaterial war Holz. Sie präsentieren sich auch heute in hellen Farbtönen, während die bescheideneren, einstöckigen Wohnhäuser in den Seitengassen wie die Lagerhäuser mit dem für ganz Skandinavien typischen dunklen Rot angestrichen wurden. Porvoos Altstadt lässt sich ohne weiteres in fünf Minuten durchqueren - Stadtgemeinde war die Siedlung nicht durch ihre Größe, sondern durch ihre Markt- und Verwaltungsrolle.

 

Mit dem Roman von Waltari in der Hand, kann man die Gänge und Räume der Porvoo-Tage nachverfolgen. Die damalige erregte Menge der Zuschauer, die würdigen Delegierten und ihre Frauen, die glänzenden Uniformen des russischen Militärs, der Bedienten, die Rituale der Aufzüge und Zeremonien und schließlich der Zar selbst, der - so sagen es alle Zeitzeugen - eine ganz ungewöhnlich starke Ausstrahlung besaß, muss man sich hinzudenken. Dafür sind heute an geeigneten Tagen viele Besucher unterwegs, die sicher mit Rührung über „die alte Welt, die wir verloren haben“ den Charme der Altstadt genießen.

 

Wenn man, wie Alexander, in die Altstadt von ihrer östlichen Seite eintritt, so öffnen sich zwei zum Fluss parallele Straßen, die sich mit ihren zweistöckigen Häusern am städtischsten präsentieren, jedenfalls nach der Maßstäblichkeit der Zeit.

 

An der tiefer gelegenen Straße reihen sich die Straßenfronten der Häuser des Kaufmannstandes mit ihren bis unmittelbar zum Ufer sich hinziehenden Lagerhäusern. Man brauchte viel Speicherplatz, weil in den strengen Wintern und durch die Vereisung der Küsten der Warentransport oft unterbrochen war. In der hangseitigen Parallelstraße reihen sich damals wie heute die schmaleren Häuser der Ladengeschäfte.

 

Diese Straßen vereinigen sich zum länglich-recht-eckigen Marktplatz mit dem Rathaus, das, wie könnte es anders sein, durch einen hölzernen Turmreiter mit der Stadtuhr ausgestattet wurde. Vom Marktplatz geht die Gasse hinauf zur Anhöhe, auf der die Domkirche mit ihrem freistehenden Glockenturm und das Gebäude des bischöflichen Amtssitzes, früher auch als Domschule genutzt, gelegen sind.

 

Zwischen diesem Grundgerüst liegen die einstöckigen Häuser der Einwohner und des Handwerks, zum Teil, wenn auch sparsam, mit Schmuckelementen verziert. Die Gassen folgen den Gegebenheiten des granitenen Untergrunds - eine räumliche Phänomenologie, die in ihrem Maßstab und den Details so menschlich ist und auch ganz ohne Architektenpläne ausgekommen ist.

 

Die Straßen und Gassen sind so holprig, dass jeder Schritt, erst recht im Winter, gesetzt werden muss - Eile verbietet sich dort von selbst. Für den Zaren waren daher Laufstege von seinem Quartier in der Unterstadt zu den Versammlungsstätten auf dem Domhügel angelegt worden. Seine Soldaten hatten streng darauf zu achten, dass sie nicht vom Volk betreten wurden, das über solche und andere Herrlichkeiten nur staunen konnte.

 

Der Ablauf der Ständeversammlung und die Ballszene

 

Nach 30 Stunden Schlittenfahrt erreichten der Zar und seine eher kleine Entourage am 27. März die Stadt, zwei Tage nachdem die Versammlung eröffnet worden war. In der Hoffnung den Herrscher wohlwollend zu stimmen hatte man ein hölzernes Schmuckportal mit dem russischen Doppeladler errichtet.

 

In Porvoo ging es nicht eigentlich um die Ausarbeitung einer Verfassung, sondern um die Bestätigung der Rechtsverhältnisse aus schwedischer Zeit. Unter den 134 Delegierten der Landständeversammlung, den Vertretern des Adels, der Kirche, der Bürger und der Bauern, befand sich der Adlige Erik Mannerheim, dessen Urenkel Carl Gustav für Finnlands Geschichte vor und nach der Unabhängigkeit 1917 so bedeutsam werden sollte. Zunächst ging es um die Begrüßungen, danach folgten die Beratungen im Dom und im benachbarten bischöflichen Amtshaus. Am Abend des zweiten Tages fand das Festbankett im großen Saal des Amtshauses statt.

 

Die Aufgabe des Kaisers bestand nun darin, mit den ehrwürdigen, so gut wie möglich aufgeputzten Damen zu tanzen, nach der Ordnung der Respektabilität ihrer Gatten. Politik und Geselligkeit waren damals noch eine Einheit. Nachdem das Pflichtprogramm erfüllt war, geschah das Ungehörige: Der Zar durchquerte den Saal, trat auf die möllersvärdsche Familie zu und bat weder die Mutter noch ihre ältere Tochter, sondern die kleine Ulla zum Tanz. Da diese vor Schreck ihren Fächer fallen ließ, bückte er sich und hob ihn auf: eine klassische Szene wie von Shakespeare erfunden! Und zum Geraune der Anwesenden steckte sich der Kaiser den Fächer in seinen Uniformrock, er sollte erst zum Ende des Balls zurückgegeben werden.

 

Ulla, deren Wesen als „spröde, energisch“ bezeichnet wird, war die einzige Anwesende, die an diesem Abend noch mehrmals vom Kaiser gebeten wurde. Die Handlungsweise eines abgebrühten Verführers oder eines Mannes, der von der Lieblichkeit der jungen und schönen Ulla selbst verführt worden war? Jedenfalls erging an den über diese Ehre geschmeichelten Vater Möllersvärd die Bitte, ihn nach seiner Rückkehr aus Turku auf seinem Gut Mäntsälä besuchen zu dürfen.

 

Am folgenden Tag bestätigte Alexander im Dom, bei Eiseskälte, seine Absicht, das Großherzogtum als autonomes Gebiet in seinem Reich zu sehen. Diese erste Erklärung lautet wie folgt: Wir, Alexander I. durch Gottesgnaden Zar und Herrscher aller Russen und Großherzog von Finnland, lassen wissen: Dass die Vorsehung uns in den Besitz des Großherzogtums Finnland gestellt hat und dass wir wünschen, dass die Religion und die Gesetze des Landes wirksam und bestätigt bleiben, ebenso wie die Vorrechte und Rechte der Stände des besagten Großherzogtums im Besonderem und aller Einwohner, seien sie in hoher oder niedriger Stellung, im Allgemeinen entsprechend der Verfassung (d.h. der schwedischen Reformgesetze). Wir versprechen alle diese Vorrechte und Gesetze zu achten. Bestätigt und mit unserer eigenen Hand unterzeichnet. Gegeben zu Porvoo am 27. März 1809.

 

Während dieser Erklärung soll Ulla auf der Treppe zur Empore, auf der die Frauen der Delegierten das Geschehen verfolgten, gekauert haben und Alexander soll, während er sprach, seinen Blick nur auf sie gerichtet haben. Eine Romanze, zu schön, um wahr zu sein? Am 29. März reiste Alexander nach Turku weiter. Und anlässlich der Rückreise, wenige Tage später, kommt es zu diesem Besuch - zu einem Abendessen und danach zu einem Spaziergang im Park des möllervärdschen Gutes, in Begleitung des Vaters, der aber wegen seiner Kurzatmigkeit zurückbleibt. Am nächsten Morgen reiste der Kaiser nach Sankt Petersburg weiter.

 

Diesem Besuch folgte ein weiterer am Vorabend der abschließenden Versammlung des Landtages im Juni 1809. Dieses Treffen soll - so wird es wenigstens vermutet oder erdichtet - Einfluss genommen haben auf die finnische Geschichte. Und zwar dadurch, dass die altfinnischen Gebiete um Wiborg und westlich des Ladogasees, das heißt das südliche Karelien, das in früheren Kriegen von Finnland abgetrennt worden war, dem neuen autonomen Großfürstentum Finnland wieder eingegliedert wurden. So geschah es jedenfalls.

 

Das Konkordat vom Juni 1809

 

Die feierliche Verkündung der Grundsätze, die die Zukunft Finnlands bestimmen sollten, fand wiederum nach Ende der Beratungen im Juni 1809 im Dom statt. Der Kaiser bestätigte wiederum, dass Finnland ein autonomes Großherzogtum sein werde, dessen Traditionen und angestammte Rechtsverhältnisse beibehalten würden, und dass ein Landtag über die Geschicke des Landes selbst zu bestimmen habe.

 

Der Text seiner Abschlusserklärung lautet wie folgt: Überzeugt von der Redlichkeit eurer Gesinnung und im Bewusstsein meiner ehrlichen Absichten, habe ich euch völlige Freiheit bei euren Beratungen gelassen. Kein Machtanspruch, keine unbefugte Beeinflussung hat eure Sitzungen gestört. Ich habe über den freien und ungestörten Verlauf eurer Verhandlungen gewacht und bin auch während meiner Abwesenheit mit meinen Gedanken und Wünschen immer bei eurer Arbeit gewesen. Die Vorsehung, die den Lauf der Dinge bestimmt hat, möge dieses edle und aufrichtige Volk segnen! Nun ist es in die Reihe der Nationen aufgenommen, steht im Schutz seiner eigenen Gesetze und kann auch die Freundschaftsbande zu der früheren Regierung wieder knüpfen, auf dass der Frieden dauerhaft einkehre. Die schönste Frucht meiner Fürsorge werde ich darin sehen, dass dieses Volk sich frei, ungestört von jedem fremden Zugriff, nach eigenem Willen entfalte, nach seinen Gesetzen und Bräuchen lebe, sich mit Ackerbau und anderen segensreichen Tätigkeiten befasse und durch das Erlangen von Glück und Zufriedenheit meine Absichten rechtfertige und sein Schicksal segne.

 

Zweifellos ist diese Erklärung, die ja Verfassungsrang hat, eine für die Zeit des noch immer existierenden Absolutismus der Fürsten und der auf Unterwerfung ausgerichteten Politik der Großmächte eine höchst außerordentliche Ausnahme. So hat damals kein anderer Fürst an „sein Volk“ gesprochen. 1809 markiert daher den Beginn einer Entwicklung, die zur finnischen Unabhängigkeit wie zum wirtschaftlichen Aufschwung des Landes führen sollte. Dass das Vorgehen Alexanders gegenüber Finnland auch gedacht war, um Reformprozesse für das ganze Russland zu erproben, wird allgemein angenommen.

 

Aber vieles kam anders: Der Tilsiter Friede war nur kurzfristig, es kam 1812 zum Feldzug Napoleons gegen Russland mit den bekannten Folgen. Im Wiener Kongress 1815 spielte Alexander die wichtigste Rolle. Um diese Zeit stand er schon unter dem Einfluss der Frau von Krüdener, die ihn zu religiös-mystischen Gedankengängen verleitete. Der Versuch, auf der Grundlage einer durch die christliche Religion bestimmten Friedensordnung in Europa die „Heilige Allianz“ herbeizuführen, war so romantisch wie utopisch. Für das aufstrebende Bürgertum war dies keine bedenkenswerte Vision, weil sie sie als Übertünchung der wahren, von der Adelsobrigkeit dominierten Machtverhältnisse sah.

 

Bis heute wird vermutet, dass sein plötzlicher Tod 1825 - weit entfernt von der Hauptstadt - fingiert war und er sich in die Abgeschlossenheit eines Klosters begeben hätte.

 

Und Ulla Möllersvärd? Von ihr weiß man, dass sie als 22 jährige mit einem 58 jährigen Mann verheiratet wurde, den sie in der Hochzeitsnacht verließ. Sie lebte einige Zeit als Hofdame der Zarin, einer badischen Prinzessin, in St. Petersburg. Später war sie Erzieherin der Kinder ihrer Brüder auf dem möllervärdschen Gut.

 

Ihre letzten Jahre soll sie in Porvoo als Dauergast in einem Hotel verbracht haben. Aus dieser Zeit gibt es auch eine Daguerreotypie, sie hat den Schmuck, den ihr Alexander geschenkt hat, angelegt. Sie starb im hohen Alter von 87 Jahren 1878. Ihr bescheidenes Grab kann auf dem Friedhof der Stadt auf der gegenüberliegenden Anhöhe besucht werden. Später wurde ein Film über die Porvootage gedreht - die Schauspielerin „trägt“ in der Ballszene ein sehr gewagtes Dekolleté - so kann man sich Ulla Möllersvärd allerdings keineswegs denken.

 

Die weitere Entwicklung Porvoos

 

Und die Stadt Porvoo? Sie wurde nicht zur neuen Hauptstadt des Großherzogtums, sondern Helsinki, damals noch eine wenig bedeutende Siedlung, die ab 1820 glänzend ausgebaut wurde. Der Grund dafür, dass noch während der Regierungszeit Alexanders Helsinki ausgewählt wurde, ergab sich aus der in der schwedischen Zeit errichteten gewaltigen Seefestung Sveaborg (finnisch Suomenlinna) auf den Schären vor Helsinki. Ein schlagendes Argument in einer Zeit der sich gegenseitig belauernden europäischen Staaten. Im Krimkrieg 1853 - 56, einem Krieg des völligen Irrsinns, der letztlich nur als Erprobung "moderner" Kriegstechnologie bedeutend wurde, wurde auch der finnische Meerbusen noch einmal Kriegsschauplatz, von späteren Zeiten ganz zu schweigen.

 

Gleichwohl blieb Porvoo wichtig: Einmal als Bischofssitz der schwedischsprachigen Kirchengemeinde, zum andern als Hauptstadt des finnischen Geistes- und Kunstlebens. Der Nationaldichter Johan Runeberg, dessen die Naturschönheit Finnlands besingende Verse in die Nationalhymne „Unser Land“ (finnisch Maamme) eingegangen sind, war in Porvoo Lehrer. Sein Haus in Porvoo ist heute ein sehr sehenswertes Museum. Die Künstler von internationaler Bedeutung, so der Sohn Runebergs, Walter, als Bildhauer und der Maler Albert Edelfelt sind mit Porvoo verbunden. Die Stadt wurde zum Weimar Finnlands. In dieses Bild passt auch, dass das erste finnischsprachige Nationaltheater dort entstand. Porvoo ist der Sitz eines bedeutenden Verlagshauses.

 

Porvoos Altstadt geriet in Gefahr, als der im Finnland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts allgegenwärtige Architekt Carl Ludwig Engel als Generalplaner einen Plan entwarf, nachdem das verwinkelte, den Geländeformen angepasste Altstadtareal durch ein rechtwinkeliges Straßenraster ersetzt werden sollte. Die erste Stadterweiterung im weiteren Verlauf des Flussufers wurde danach errichtet. Dem Schematismus dieser Stadtplanung, die streng-geometrische Regelmäßigkeit forderte, stemmte sich sowohl der bucklige Felsenuntergrund der Altstadt als auch die Opposition der Einwohner entgegen. Porvoo wurde dadurch ein frühes Beispiel des erhaltenden Umgangs mit dem vorgefundenen Stadtensemble und dessen hoher ästhetischer Qualität und des Denkmalschutzes in Finnland.

 

Die Stadt ist durch ihre historische Altstadt eine der ästhetischen wie historischen „landmarks“ des kollektiven Gedächtnisses der Finnen geblieben. So kann sie auch heute noch ganz authentisch erlebt werden. Da der Besucher aus dem Ausland üblicherweise in Helsinki "anlandet" und Porvoo nur etwa 60 km östlich von Helsinki gelegen ist, ist es leicht, das Flair Porvoos in das Besuchsprogramm einzufügen.

 

Druckversion | Sitemap
© Rolf Derenbach

Diese Homepage wurde mit IONOS MyWebsite erstellt.